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Du bewunderst perfekte Nahtkreuzungen in Quilts und möchtest deine Fähigkeiten verbessern? Dann lies unbedingt weiter!
Präzises Nähen im Patchwork – worum es geht
Shelley Scott-Tobisch ist eine amerikanische Quilterin, die ein eigenes modulares System für das exakte Nähen im Patchwork entwickelt hat und uns damit helfen möchte, genauere Nähergebnisse zu erzielen. Dieses System erklärt sie in ihrem Buch “Easy Precision Piecing“, aus dem ich hier verschiedene (nicht alle) Arbeitsschritte vorstellen möchte. Ich bitte an dieser Stelle um euer Verständnis, dass ich keine Details preisgeben kann, denn das wäre Shelley gegenüber nicht fair. Das Buch habe ich aber im Shop, ebenso den Kleber, den sie für das Nähen ohne Stecknadeln nutzt.
Für wen ist das System geeignet?
Laut Autorin ist das Buch sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene geeignet – das stimmt natürlich auch, aber ich bin der Meinung, dass man schon wenigstens eine Zeit lang Patchwork genäht haben sollte, weil einem ansonsten vielleicht die Grundlagen, wie z. B. die Technik der “Nesting Seams” nicht geläufig sind. Ich denke auch, dass sich ein gesunder Ehrgeiz, das eigene Nähergebnis zu verbessern, eingestellt haben sollte, da es in diesem Buch ja nicht um Patchworkmuster geht und man vielleicht dann schnell die Lust daran verliert – obwohl auch einige schöne Projekte enthalten sind, deren Nacharbeitung sich sicherlich lohnt …. aber schaut selbst 🙂
Mein Projekt
Anja Seebald und ich haben ein neues Pattern entwickelt (demnächst auf etsy erhältlich unter CandyQuiltConnection), dass wir nun parallel einmal von vorne bis hinten nähen werden. Das habe ich zum Anlass genommen, um meine Skills in Sachen Präzision zu verbessern. Um es hier klarzustellen: ich strebe keinesfalls nach Perfektion, aber 95 % möchte ich immer erreichen, denn nachlässige Nahtkreuzungen machen mich unzufrieden.
Gerade habe ich meinen Tartan-Quilt fertiggestellt, aber ausstellen kann ich den nicht – zu wonky ist das Sashing geworden, das zunächst gar nicht geplant war, aber von mir dann kurzerhand genäht worden ist, um noch einen Farbakzent zu setzen. Was soll ich sagen? Ich war ungeduldig und habe schnell-schnell zugeschnitten und mit heißer Nadel genäht. Danach war ich so genervt, dass ich dieses Projekt fast nicht zum Ende gebracht habe. Aber alles hat bekanntlich auch sein Gutes, ich habe mir fest vorgenommen, das nächste Projekt ganz präzise zu nähen!
Um mich zu motivieren, habe ich mir das Fat Quarter-Bundle aus der Kollektion “Country Rose” von Moda Fabrics gegönnt:
Der Schock: Patchworkstoffe vorwaschen
Bei der Frage, ob man Patchworkstoffe vorwäscht oder nicht, scheiden sich die Geister. Die vorrangige Meinung ist jedenfalls, dass man nicht vorwäscht. Zum einen, weil die Stoffe dann weich werden und so schwieriger zu vernähen sind, zum anderen, weil Patchworkstoffe von namhaften Herstellern so hochwertig sind, dass sie weder stark krumpfen noch ausbluten (das kann ich vorbehaltlos bestätigen, ich habe mal rote und weiße Stoffe zusammen verarbeitet, nicht vorgewaschen und nichts ist ausgeblutet!).
Also soll man Patchworkstoffe vorwaschen? Natürlich nicht! Dachte ich jedenfalls bisher … Shelley Scott Tobisch möchte aber, dass ich es tue und ich möchte ja etwas Neues ausprobieren! Außerdem wird mir die Frage, ob das Vorwaschen sinnvoll ist oder nicht, oft gestellt, also ist es doch gut, wenn ich es selbst einmal ausprobiere, oder? Das Großartige ist, dass die Autorin genau erklärt, wie sie Meterware und Precuts wäscht und die Waschmaschine und der Wäschetrockner eingestellt werden. Ich darf hier keine genauen Angaben aus dem Buch wiedergeben, aber hier möchte ich euch einen sehr wichtigen Zwischenschritt zeigen:
Das kennt sicherlich jede von euch: nach dem Waschen von unversäuberten Stoffkanten entstehen diese Faserknäuel. Bevor ihr die Stoffe in den Wäschetrockner gebt, sollten diese Knäuel unbedingt entfernt werden, damit die Stoffstücke im Trockner nicht zusammengeknautscht werden und so starke Falten entstehen. Hier seht ihr meine Fat Quarters nach der Wäsche und vor dem Wäschetrocknergang.
Ich habe vorsichtig alle Knäuel abgeschnitten.
Nach dem Wäschetrockner – das Ende des Programms bitte unbedingt im Auge haben und die Stoffe sofort herausnehmen! – habe ich die Fat Quarters glatt ausgelegt und weitere Fäden entfernt:
Hach, sieht das nicht toll aus? Jetzt ist der Unterschied zwischen ungewaschenem und vorgewaschenem Stoff schon deutlich fühlbar, denn nicht nur die chemische Appretur wurde durch das Waschen entfernt, auch wurde die Spannung, die beim Weben und Wickeln der Stoffballen entstanden ist, herausgenommen! Und das kommt natürlich nicht beim Nähen selbst zum Tragen, sondern nach dem ersten Waschgang.
Wichtig: wenn du nach einem Pattern arbeitest, das auf Layer Cakes oder Charm Packs basiert und das volle Maß der Precuts benötigt, sollte man nicht vorwaschen, denn danach hat man garantiert kein Quadrat mehr. Aus einem 10″ x 10″-Stück wird z. B. ein 9¾” x 10¼”-Stück. usw.
Das Stärken der Stoffe
Ihr wisst, dass ich ein großer Fan vom Stärken der Patchworkstoffe bin, denn Sprühstärke gibt dem Stoff eine papierene Haptik und schön viel Stand. Dadurch lässt sich viel genauer Nähen, denn die einzelnen Fasern sind ausgesteift und nicht mehr so weich. Gerade wenn man z. B. Half-Square Triangles, Flying Geese oder andere Blöcke im schrägen Fadenlauf näht, hat sich das Stärken bewährt. Selbstverständlich ist Stärke nach dem ersten Waschen komplett wieder raus.
Ich habe selbst Sprühstärke von Sonett im Shop, denn diese ist absolut rückstandsfrei und riecht sehr natürlich. Auch Shelley Scott-Tobisch misst dem Stärken eine immens große Bedeutung bei und bestätigt mein bisherigen Lobeshymnen auf das Stärken.
Bisher habe ich gestärkte Stoffe immer über Nacht vollständig durchtrocknen lassen, aber die Autorin bügelt die Stoffe trocken. Da ich eher verschwenderisch denn sparsam mit Sprühstärke umgehe, die Stoffe also relativ nass sind, habe ich die Stoffe ca. eine Stunde antrocknen lassen und dann trocken gebügelt. Ich habe hierbei aber keinen Unterschied zu Durchtrocknen über Nacht und anschließendem Bügeln festgestellt.
Das Bügeln
Als ich das Buch bekam, habe ich sofort das Kapitel zum Bügeln aufgeschlagen und siehe da: Shelley Scott-Tobisch empfiehlt im Nähprozess ausdrücklich das Bügeln ohne Dampf. Yes! Me too! Ich war total happy, denn wie viele von euch wissen, habe ich bereits einen Blog-Beitrag dazu geschrieben und viele von euch haben sich daraufhin das gleiche Bügeleisen gekauft.
Das Trockenbügeln der gestärkten Stoffe ohne Dampf ist ebenfalls sehr wichtig, da ansonsten die nassen Fasern verziehen können. Man setzt dabei das Bügeleisen 3 Sekunden auf eine Stelle, hebt es an und versetzt es. So werden alle Stoffe gebügelt. Dieser Prozess ist sehr meditativ und man kann wunderbar dabei ein Hörspiel hören oder ein Video gucken.
Der Zuschnitt
Heute geht es um den Zuschnitt der in den vorherigen Arbeitsschritten vorbereiteten Stoffe nach dem Buch “Easy Precision Piecing” von Shelley Scott-Tobisch. Ich nutze ja Fat Quarters und hier fällt es deutlich auf, wie sich das Maß von ca. 18″ x 22″ durch das Vorwaschen, Trocknen und Stärken verändert. Und das sollte man positiv sehen, denn diese Veränderungen muss dann nicht mehr der fertige Quilt durchlaufen!
Da ich für das neue Quilt-Design von Anja und mir ausschließlich Quadrate benötige, habe ich die Fat Quarters zunächst an zwei Kanten rechtwinklig geschnitten. Bisher habe ich halt einfach eine Kante getrimmt und dann eine Linie meines Lineals an dieser Kante angelegt. Shelley hat mich aber davon überzeugt, dass das nicht ausreicht, um einen exakten rechten Winkel zu erhalten – man benötigt ein zweites Lineal, wie man auf diesem Foto sehen kann:
Die exakte Nahtzugabe
Im Patchwork ist das genaue Nähen von großer Bedeutung, denn meistens arbeiten wir in Blöcken, die wir zu einem großen Layout zusammen setzen. Sind die einzelnen Blöcke ungenau genäht, passen sie nicht mehr in das gewählte Raster und das Quilttop wird “wonky”, also in sich schief und ungenau. Deshalb ist das Verbessern der eigenen Technik für genaue Ergebnisse sehr empfehlenswert!
Ein wesentlicher Bestandteil ist das Einhalten einer möglichst exakten Nahtzugabe. Über den sogenannten Scant Seam (deutsch: “Knappe Nahtzugabe”) gibt es bereits genügend Videos im Internet, die super erklären, wie man die Nähmaschine einstellt – schau dir einmal das Video von Brigitte Heitland an, in dem die Thematik sehr anschaulich erklärt wird:
Dazu kommt, dass durch das Bügeln immer ein Hauch verloren geht, da die Biegung, die durch das Umlegen der Nahtzugabe zur Seite entsteht, auch einen Millimeter Stoff benötigt. Und dieser fehlt dann dem exakten Maß eines Blocks. Besteht nun ein Block aus sehr vielen Teilen, kann sogar ein erhebliches Maß fehlen!
Und so sieht ein Scant Seam genäht aus:
Du siehst, dass ich eine Haaresbreite neben der eigentlichen Linie genäht habe.
Die Bügeltechnik für ganz flache Blöcke
Shelley Scott-Tobisch hat ein tolles Werkzeug, den Easy Press Pen, entwickelt, der uns dabei hilft, Blöcke sehr flach bügeln zu können. Und so geht es: der Easy Press Pen wird mit Fabric Treatment oder Stärke befüllt.
Im nächsten Schritt zeige ich euch das sogenannte Glue Basting, also das Arbeiten ohne Stecknadeln und stattdessen mit Klebstoff.